CGL- Chorgemeinschaft

Interview mit Ruedi Bolliger, Weisslingen, 25.09.2020

 

Ich bin Ruedi Bolliger, wohne seit mehr als 40 Jahren in „Wislig“ und bin seit ungefähr 7 Jahren in der Chorgemeinschaft Landenberg. 2017 habe ich dort den Vorsitz der Chorleitung übernommen, wir gingen daran, die Chorgemeinschaft Landenberg als neuen Verein zu gründen, als Dachorganisation der Männerchöre Turbenthal, Wila und Wildberg. Im November 2018 haben wir diese Gründung gemacht, und seither funktioniere ich als Präsident in dieser Organisation.

Einerseits habe ich sehr Freude am Singen, immer schon gehabt. Ich habe vor allem Freude am Männerchorgesang. Nachdem ich 25 Jahre im gemischten Chor Weisslingen-Kyburg gesungen habe, wollte ich in einen Männerchor und fühle mich unglaublich wohl in dieser Chorgemeinschaft Landenberg.

Ich finde es „super“, dass eine zusammengewürfelte Gesellschaft von sehr unterschiedlichen Leuten, alles aber Persönlichkeiten, jeder in seiner Art ein „toller Kärli“, da miteinander singt. Wie die Leute mit einer Energie hinter diese Literatur gehen und probieren, jeder für seine Situation das Beste zu machen, also seinen Beitrag möglichst optimal zu machen. Das ist das eine, das mir unglaublich gefallen hat. Das andere ist das gemütliche Zusammensitzen nach dem Singen mit diesen Leuten. Das „ghöre“ von Berufserfahrungen, ich habe Berufe kennengelernt, von denen ich noch nie etwas gehört habe, und Arbeitswelten kennengelernt, welche ich mir gar nie vorstellen konnte. Dass man da effektiv vom „Phil-Einer“ bis zum Handwerker und vom „Puur“ bis zum Informatiker alle „quär dure“ haben, das ist etwas ganz Grossartiges.

Mein grossartigstes Erlebnis, das ich nie vergessen werde, war nach einer der ersten Proben, als wir im Frohsinn in Hermatswil waren und dort drin gesungen haben. Das ist toll gewesen, ich habe das etwas Grossartiges gefunden. So etwas habe ich in „Wislig“ in 25 Jahren nie erlebt. Erstens, weil wir nicht nachher noch miteinander in die „Beiz“ sind, und zweitens, weil die Spontaneität eines solchen Auftritts nicht möglich war. Es hat andere Formen gegeben, wo wir auch solche kleinen „Konzertli“ geboten haben, aber das war dann eher im kleinsten Kreise.

Ich bin froh, dass sich unser Dirigent „meh und meh“ die Spontaneität aneignet, dass er uns auch „laat la mache“, wenn so etwas passiert. Wir sind uns bewusst, dass das natürlich niemals die Qualität ist, die er von uns eigentlich erwarten würde. Aber wir sind dann ja eben nicht in einem sorgfältig eingeübten Konzert, sondern wir singen „echli“ in der Wirtschaft. – Ich habe so viele schöne Erlebnisse, dass es fast nicht auszumachen ist, welches das beste ist. Wir hatten einen Haufen wunderbare Erlebnisse, in Kirchberg in Tirol, wo wir spontan da und dort aufgetreten sind. „Eso öppis“ eben wie dort, dass spontan in den Wirtschaften gesungen wird, auf der Strasse fast gesungen wird, „die tüend“, und die andern bringen quasi „es gägestuck“, das ist Chorgesang vom Schönsten.

Auf der anderen Seite, darf ich auch sagen, ist die Qualität, also wirklich der gepflegte Chorgesang, den wir ja anstreben. Gestern Abend hatten wir eine Probe, an der wir uns wieder mit einem wunderbaren Männerchorlied in verschiedensten Varianten auseinandergesetzt haben, und als wir das durchgezogen haben, am Schluss, „hets mi aso gschüttlet“. Das war wirklich etwas ganz Grossartiges. Das ist schon der Hintergrund, das andere kann ein Turnverein letztlich ja auch.

Ich wollte bei der Gründung des neuen Vereins nicht, dass man „irgend öppis“ in die Wege leitet, womit man diese Vereine unter Druck setzt, was sie nachher zu tun hätten. Die sollen alle machen können, was sie wollen, von mir aus können sich die einen auflösen und die andern weiterbestehen, das ist kein Problem. Was geregelt ist, und das haben wir meiner Meinung nach geschickt gemacht, ist, dass es für die Sänger kein „Loch“ gibt. Was die Vereine immer beschliessen, sie sind in der neuen Organisation eingebunden und fühlen sich offensichtlich wohl dort, das ist mir wichtig.

Diese Fahne zeigt, dass wir als Verein und Gemeinschaft, die miteinander singen möchte, eine Einheit sind, und das ist nicht an ein politisches Hoheitsgebiet gebunden, sondern das ist die Idee des „mitenand singe“, die dahinter steht. Es spielt keine Rolle, wie viele Gemeinden dabei sind oder nicht.

In meiner schwierigsten und anstrengendsten Berufszeit habe ich erlebt, beim Singen wo auch immer: In diesem Moment, wo man hingeht, einsingt und anfängt, auf die andern zu hören, und „mitenand“ etwas zu erarbeiten versucht, ist aller Stress, mit dem man belastet ist, „ewägg“. Ich habe das grossartig gefunden, das ist Singen, „c’est la récréation“. Das ist etwas Tolles, das ich sehr schätze. Wir haben halt schon als Kinder sehr viel gesungen. Wenn ich mich an die Küche der Grossmutter auf einem grossen Bauernhof erinnere, beim Abwaschen, da ist immer gesungen und gejodelt worden, mehrstimmig. Es bringt „e gwüssnigi“ Fröhlichkeit hinein, man kann es auch brauchen, um „irgend öppis“, etwas Ernsthaftes zu verarbeiten. Ich persönlich habe „en chline“ Hang zur Romantik, mir gefällt auch die romantische Musik sehr. Eines meiner schönsten Lieder, die ich in diesen Chor einbringen durfte, war „Nach Süden nun sich lenken die Vöglein allzumal“, ein Studentenlied, das da in einer wunderbaren Form aufgearbeitet wurde. Mit lieben Freunden in einer guten Zusammensetzung „öppis tolls“ machen.

Die Probleme, die wir heute mit dem Nachwuchs spüren, junge Sänger fehlen, das sind Probleme, die man in allen Organisationen spürt, ausser vielleicht bei den Turnern. Man muss auch sehen, in welcher Zeit diese Vereine entstanden sind. Nach der Französischen Revolution und unter dem Einfluss der Romantik, diese Vereine sind ja alle innert kürzester Zeit „usem bode usecho“. In kleinen Dörfern hat es einen Männerchor, einen Frauenchor, einen gemischten und einen Töchterchor gegeben. Alle diese Sachen sind natürlich heute mit dem modernen Unterhaltungsangebot, von dem die jungen Leute „vertrückt“ werden, irgendwie in eine Ecke gestellt. Was wir aber feststellen: Irgendeiner, der vorbeikommt, „bliibt hange“, weil er allenfalls diese Werte spürt, die ich vorher zu skizzieren versucht habe.

Wir sind vorbereitet darauf, auch Gefäss zu sein für andere, welche sagen, es geht nicht mehr „eso wiiter“ bei uns, jetzt sind wir nur noch fünf, wo könnten wir, und den Eindruck haben, bei uns könnten sie.

Ich wünsche dem Männerchor Wila zum 175-jährigen Jubiläum, dass sie das in einer Form begehen können, die für sie richtig ist, der Situation angemessen. Sie haben bereits den Blick weiter nach aussen gerichtet, sie haben eine grosse Tradition, sie haben eine lange Geschichte. Sie wollen vielleicht diese Geschichte nach aussen bewusster machen, das soll ihnen gelingen. Sie können von mir aus so lange weitermachen, wie sie wollen, aber sie sollen sich in der Chorgemeinschaft Landenberg möglichst wohlfühlen, auch die Wilemer.

So ein Chortreffen ist eine grossartige Idee, und das tut mir unglaublich leid, dass das nicht möglich war. Am Anfang dachte ich, „hm, chunnt das ächt guet use?“ Aber vielleicht haben wir da eben schon „echli“ von unseren Erfahrungen von Kirchberg in Tirol gesehen, dass man das eigentlich noch relativ strukturlos zu einem wunderschönen Ergebnis bringen kann. Natürlich muss man eine Infrastruktur machen.

Ich habe Freude an der Kirchenmusik, an den russischen Liedern, die wir gesungen haben, auch wenn es dort vom Gebet bis zum Räuberlied geht, das übrigens letztlich auch noch einen kirchlichen Bezug hat. Die italienischen „Lumpenliedli“, die wir gesungen haben, gefallen mir, die alten Schlager gefallen mir, die klassische Männerchorliteratur bringen wir ja in einer Vielseitigkeit und Präzision „häre“, die einem so oder so Freude machen muss. Nein, ich habe quer durchs Beet an allem Freude, was wir singen.

 

 

 

 

 

Interview mit Philip Hirsiger, Russikon, 21.09.2020


Mein Name ist Philip Hirsiger. Ich bin in Russikon aufgewachsen und arbeite und lebe immer noch da in Russikon, dirigiere drei Chöre: die Chorgemeinschaft Landenberg, meinen Männerchor; dann habe ich einen Gospelchor in Volketswil, den ich dirigiere; und einen Ad-Hoc-Chor für die Weihnachten, welchen ich seit 12 Jahren „mache“, da machen wir dieses Jahr aber eine Pause.

Ich habe diesen Chor übernommen, weil ich diese Herausforderung wahrnehmen wollte. Ich hätte mir nie vorstellen können, einen Männerchor zu dirigieren, weil das eigentlich eine verstaubte Sache ist. Insgeheim wollte ich beweisen, dass das nicht so ist, dass das keine verstaubte Sache ist, und dass ich so Spass daran finden würde, hätte ich selber nicht gedacht. Als ich angefangen habe, bin ich davon ausgegangen, dass ich das etwa vier Jahre machen werde und mich dann weiter orientieren werde. Heute ist es so, dass ich mich probiere weiter zu orientieren, aber nicht auf Kosten der Chorgemeinschaft. Das ist ein „Steckenpferd“ geworden, und das ist einfach eine tolle Zusammenarbeit, welche wir da haben dürfen.

Ich sehe immer noch extremes Potential, und ich probiere diese Grenzen immer nach oben zu schieben, „und no es schrittli meh, und no es schrittli meh“, obwohl ich niemanden im Chor überfordern möchte. Aber ich bin überzeugt, mit einer guten Führung würde das noch „es ziitli lang“ funktionieren. Wenn wir eine gewisse Grösse erreichen, bei der wir auch vom Klang her ganz andere Werke interpretieren könnten, könnte man natürlich auch ganz andere Ziele setzen, und das macht es interessant.

Ich erlebe den Chor als sehr lebendigen Chor. Es ist nicht nur ein Chor im Sinn von „zäme singe“, sondern es ist auch eine aktive Truppe. Auch untereinander hilft und stützt man sich. Es ist nicht eine „iigschworeni gsellschaft“, das ist immer etwas negativ, aber es ist ein sehr sozialer Kreis, den wir da haben dürfen, wo jeder wichtig ist. Das spürt man halt dann auch letztendlich beim Singen, beim Gestalten der Musik, dass es auch zwischenmenschlich funktioniert. Und das ist „öppis“, das mich auch fasziniert, das kann man als Dirigent nicht sehr aktiv steuern, aber wenn es so ist, umso schöner.

Ich fühle mich sehr integriert in diesen Chor. Ich merke nicht, wenn wir im „Durscht“ oder sonst auf Reisen unterwegs sind, dass ich irgend eine spezielle Position im Chor hätte – wie das vielleicht früher war, „de herr dirigänt“, ich bin ein Mitglied und werde so geschätzt. Das ist das, was mich besonders freut, obwohl ich zwei, drei Jahre jünger bin als die meisten. Ich fühle mich gar nicht so, dass ich eine spezielle Rolle hätte, das „mitenand“ ist fantastisch, und ich lerne auch viel. Das „zämeläbe“ ist vielleicht der falsche Ausdruck, aber das „zämeghöre“ ist das Zentrale, das ganz bestimmt gross geschrieben wird im Chor.

Ganz besonders schöne Erlebnisse sind immer die Auftritte, die wir haben. Da kann man nicht eines herauspicken und sagen, das ist das schönste oder beste. Für mich ist immer der Event in Kirchberg „wahnsinnig toll“, weil wir dort einfach gut funktionieren und auch gegenüber andern zeigen können, wie wir funktionieren und wie wir zusammengehören. Auch musikalisch konnten wir dort etwas herausholen, was man wie nicht proben kann, und das entsteht durch die Emotionen. Und genau das ist es dann, was es ausmacht, das Wunderschöne, das man erleben darf, wenn man eine gute Gesellschaft ist.

Das Wichtigste für den Probenbesuch ist sicher die persönliche Motivation. Das muss jeder für sich „echli“ selber finden, wo ist die? Ich versuche die Proben so zu gestalten, dass ich jeden abholen kann oder ihm das Gefühl zu geben, ein Teil des Ganzen zu sein. Das soll die Motivation sein, wenn man „mitenand“ wachsen kann. Es ist kein Einzelsport.

Es ist ja leider Gottes so, dass die verschiedenen Chöre in der letzten Zeit mehr und mehr Probleme mit Abgängen hatten. Darum macht es mich besonders stolz, dass wir im Männerchor diese Situation „es bitzli“ kehren konnten. In den letzten Jahren hatten wir einen guten Zuwachs und wir halten an dem fest, bis wir mindestens 50 sind.

Der Chorgesang hat für mich eine riesige Zukunft. Ich kämpfe mit allem, was ich habe und weiss, dass wir das wieder populärer machen können. Chorgesang, das ist ja nicht nur das Musikalische, das ist auch ein Körpergefühl. Gerade in der heutigen Zeit, wo man permanent gestresst ist und unter Druck steht, sehe ich die Chorproben als Insel, wo man aus dem Alltag ausbrechen kann, sich ganz anders fordern und dadurch Kraft tanken kann. Und das ist „öppis“, was Zukunft hat, auf jeden Fall. Dazu braucht es keine besondere Institution. Singen kann man überall, überall hat es noch Chöre, denen man sich anschliessen kann. Eigentlich, wenn man nur „ es birebitzeli“ Freude am Singen hat oder an der Gesellschaft, würde ich es jedem empfehlen, das einmal auszuprobieren.

Ich bin vom Gesamtklang zwischendurch ganz berührt, wenn ich „mängisch“ denke, wow, heute ist wieder ganz besonders. Es hat tatsächlich mit den Frequenzen zu tun, mit den Schwingungen, die, wenn sie richtig passend sind, dann gibt es einfach den „super“ Chorklang, auf den ich hinzuarbeiten versuche: mit den verschiedenen Übungen, welche wir am Anfang machen, mit dem Einsingen verbunden. Ich weiss natürlich mittlerweile „es birebitzeli“, wo ich ansetzen muss, damit ich das Ziel erreiche, das motiviert dann schon sehr. Es gibt aber auch Tage, an denen das eben nicht funktioniert, dann kann man das eher brauchen zum „schaffe“. Es muss nicht immer prickelnd sein, soll es auch nicht, sonst wäre es normal und würde wieder abflachen. Aber ich glaube, wenn es dann wirklich auf ein Konzert hingeht, auf ein Ziel, wenn es dann anfängt zu knistern und neben der Nervosität im letzten Moment das "quäntli“ noch hochbringt, dann ist es unbeschreiblich.

Ich bin überzeugt, dass im Unterbewusstsein von jedem die Musik funktioniert. Alle, die den Weg zum Singen gefunden haben, haben irgendeine Musikalität. Diese Musikalität muss man aber auch fördern. Und man muss lernen, das Gehör zu bilden. Ich probiere ganz klar, dass man zuhört, nur mit „losen“ kann man in einem Chor funktionieren, das ist wie Kammermusik. Mit Kammermusik muss man „ufenand luege“, man muss optisch und auch übers Gehör Sachen aufnehmen und verarbeiten. Wie will man das denn machen, wenn man davon keine Ahnung hat? Ich probiere das so „chli“ in das Unterbewusstsein hinein zu steuern, damit man es umsetzen kann, ohne wissen, was man denn genau macht.